2045 – Eine realistische Fiktion

Die Verstromung von Stein- und Braunkohle wurde schrittweise reduziert, bis sie 2038 eingestellt wurde. Heute steht das Mitteldeutsche Revier Sachsen-Anhalt für alternative Energien, nachhaltiges Wachstum und sozio-ökologische Lebensformen. Im Jahr 2026 wurden erfolgreich neue Unternehmen gegründet, die sich auf die Wiederverwendung von Bauteilen spezialisiert haben, andere erfanden neue Baustoffe aus Algen, Moos und Myzelium. Die Einbindung neuer Technologien wie XR, 3D-Druck, digitale Materialbank-Plattformen hat dazu beigetragen, diese Ansätze weiterzuentwickeln und ihre Potenziale aufzuzeigen. Heute zählen diese Unternehmen zu den Pionieren auf ihrem Gebiet. In Zeitz entstand ein genossenschaftliches Wohnquartier, das bis heute als sozioökonomischer Modellversuch funktioniert und Besucher*innen aus der ganzen Welt anzieht. Neue Lebens- und Arbeitswelten, Eigenverantwortung durch genossenschaftliches Arbeiten und Wohnen haben die Identität der Menschen gestärkt und die demografische Kurve umgekehrt. Die Schulen in Sachsen-Anhalt gehörten zu den ersten, in denen Bildungsdebatten zu neuen Programmen führten, die inner- und außerschulisches Lernen miteinander verzahnen. Außerschulische kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche ist seitdem zum neuen Standard im Bildungsbereich geworden.

In Zusammenarbeit mit europäischen und internationalen Partnern trieb das Netzwerk in Sachsen-Anhalt über Jahre gemeinsame Aktivitäten zur Sicherung einer nachhaltigen Lebenswelt für künftige Generationen voran.

Gemeinsam gelang es, eine Gesetzgebung zur Transformation energieintensiver Industrien zu erreichen und damit den Weg zur Klimaneutralität Europas zu ebnen. Der Wandel begann im Jahr 2022 Gestalt anzunehmen, als die Hochschule Anhalt mit ihren Fachbereichen Architektur und Design, die Stiftung Bauhaus in Dessau, die Burg Giebichenstein, Hochschule für Kunst und Design Halle, die Martin-Luther-Universität in Halle sowie die Netzwerkpartner SALEG, das Forum Rathenau im Kohlekraftwerk Zschornewitz, und Forschungsinstitute der Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Stadt Zeitz ihre Kräfte bündelten. Gemeinsam riefen sie mit den Bürger*innen der Region das NEB – “Das Sachsen-Anhalt Projekt” ins Leben. Dessen Einzigartigkeit besteht darin, durch die Integration von Kunst, Architektur, Wissenschaft, Technologie und Handwerk disziplinäre Grenzen überwunden und verschiedene Wissenssorten zusammengeführt zu haben.

Was wurde aus der Stadt Zeitz, in der die Entwicklung von Szenarien und Prototypen begann? Zeitz ist seit 2038 an das schnelle S-Bahn-Netz angeschlossen. Alle zehn Minuten fahren Züge nach Leipzig und Gera. Die Einwohner*innenzahl hat sich seit den 2020er Jahren auf 60.643 verdoppelt.

Das
Sachsen-Anhalt
Projekt

The Saxony-Anhalt
Projekt

Gemeinsam für ein Neues Europäisches Bauhaus

Konzept

Wenn heutzutage die Frage nach einem Neuen Europäischen Bauhaus gestellt wird, sind Sachsen-Anhalt und Dessau angesprochen, zusammen mit der Stiftung Bauhaus Dessau, der Hochschule Anhalt mit ihren Fachbereichen Architektur und Design, der Kunsthochschule Burg Giebichenstein und der Martin-Luther Universität in Halle sowie die Netzwerkpartner SALEG, das Forum Rathenau am ehemaligen Kohlekraftwerk in Zschornewitz, das Fraunhofer Gesellschaft und die Stadt Zeitz. Zusammen sind sie das Sachsen-Anhalt Projekt.

Die Projektidee ist von der Fibonacci-Folge inspiriert, da sie auf einem wachsenden Netzwerk basiert, das globale Angelegenheiten mit einzelnen Projekten verbindet, die von Sachsen-Anhalt in andere europäische Regionen reichen. Es umfasst pädagogische, kreative, räumliche und urbane Maßnahmen und zielt darauf ab, Design als soziale Aufgabe zu verstehen – „zugänglich und inklusiv für alle.“ (NEB)

Soziale Transformation = Kulturelle Transformation

Fast 150 Jahre lang war das mitteldeutsche Braunkohlerevier eine der wichtigsten Quellen von fossilen Brennstoffen. Die Kohle führte zu einer radikalen Umgestaltung einer ehemals ländlichen Umgebung – wie auch in anderen Regionen der Welt, in denen Braunkohle abgebaut wird. Sie hat die Menschen, die Arbeit, das Zusammenleben und die Gemeinden geprägt.

Angesichts des Klimawandels wird der Kohleausstieg unausweichlich. Wie aber kann die ökologische und soziale Transformation gelingen? Wir glauben, nur wenn es auch eine kulturelle Transformation gibt. Um dem Klimanotstand erfolgreich entgegenzuwirken, ist es entscheidend, „Erzählungen und Bezüge zu entwickeln, die die Menschen berühren und uns inspirieren, uns auf ein klimaneutrales Leben umzustellen“ (NEB).

Es wird mehr brauchen als die Gestaltung von Landschaften und Industriebrachen in der Folgezeit des Bergbaus, die Entwicklung neuer Energiequellen und umweltfreundlicher Industrien. Ein radikaler kultureller Wandel hin zu einer nachhaltigen Lebensweise ist notwendig, um eine ökologisch und sozial gerechte Welt zu ermöglichen.

© Dessau Bauhausköpfe/
Stiftung Bauhaus Dessau
Studierende Hochschule Anhalt
© HSA
FERROPOLIS
© Scharf, Janine
© Stiftung Bauhaus Dessau
Foto: Tenschert, Yvonne, 2017

Vom Historischen Bauhaus
zum Neuen Europäischen Bauhaus

War das historische Bauhaus in Dessau ein Hauptakteur der industriellen Moderne, so will das NEB einen Paradigmenwechsel hin zu postfossilen Designpraktiken einleiten. Damals wie heute sahen sich die Menschen mit einer kulturellen und sozialen Krise konfrontiert. Heute sind wir zusätzlich mit einer ökologischen Krise konfrontiert.

Das historische Bauhaus hat nicht nur auf die Modernisierungsprozesse mit all ihren Reibungen reagiert, sondern auch proaktiv kulturelle Prozesse in Gang gesetzt. Die Weiter- und Neuentwicklung kultureller Modelle und Praktiken basierte auf technischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten. Produktionswissen wurde durch Werkstattpraxis und Prototypenentwicklung erschlossen. Umgekehrt wurden wissenschaftliche und künstlerische Erkenntnisse in die Bildungs- und Gestaltungsarbeit eingebracht.

Heute bauen in Dessau die Stiftung Bauhaus Dessau und die Hochschule Anhalt mit den Fachbereichen Architektur und Design in Zusammenarbeit mit einem partizipativen Netzwerk das Neue Europäische Bauhaus auf. Sie schaffen eine Synthese der bisher durch die Entwicklung der Moderne ausdifferenzierten Wissensformen und integrieren damit getrennte Disziplinen wie Wissenschaft, Kunst, Technik und Handwerk in einer Denkschule.

Genau hier kommt das Sachsen-Anhalt Projekt ins Spiel: Wie schon das historische Bauhaus ist es ein Experiment, das darauf abzielt, Grenzen aufzulösen, zu entkategorisieren und zu verschmelzen, ein Experiment, das bisher Getrennte miteinander zu verbinden: Interaktion von Kunst, Wissenschaft und Technologie; Verschmelzung von Forschung, Lehre und Praxis, und zwar interkulturell.

Unabhängig vom historischen Bauhaus ist es heute unabdingbar, verschiedene Arten von Wissen und Methoden miteinander zu verbinden, Rationales und Erfahrungswissen, Alltagspraxis, vormodernes, außereuropäisches, intuitives, implizites Wissen, latentes Wissen über handwerkliche Traditionen, materielle Kulturen, Wissen über lebendige lokale Praktiken – all das, was in der frühen Moderne zunehmend obsolet wurde.

Das historische Bauhaus basierte auf der Idee, die Gesellschaft durch Design verändern zu können: Design diente also nicht zur Bekräftigung der Gegenwart, als Dienst am Status Quo, sondern als imaginärer Raum der Möglichkeiten – kurz: Design als emanzipatorisches Versprechen.

Auf dem Weg zu einem pluralistischen Ansatz

Ein wesentliches Merkmal der Moderne und des historischen Bauhauses war, dass unterschiedliche kulturelle Vorstellungen von Modernisierung gleichzeitig existierten und miteinander in Konflikt standen. Das Sachsen-Anhalt-Projekt baut auch auf unterschiedlichen, gegensätzlichen Ansichten und Perspektiven auf. Es setzt auf einen diskursiven Suchprozess und auf konkurrierende praktische Szenarien. Im Grunde dient es als Modell für einen pluralistischen Ansatz.

Heute geht es nicht mehr darum, eine neue Welt und einen neuen Menschen zu erfinden. Es geht um Design als Reformation der Gegenwart, nicht um Neubauten. Ganzheitliches Denken ist noch immer unverzichtbar, aber der positivistische Glaube an die Möglichkeit eines umfassenden und vollständigen Verständnisses der Welt ist verschwunden. Unauflösbare Widersprüche sowie eine grundsätzliche Unvollständigkeit des Wissens und der Erkenntnis erfordern es, mit Ungewissheiten oder bekannten Unbekannten zu operieren, wie zum Beispiel dem Klimawandel.

Mit dem Gegebenen beginnen

Das Sachsen-Anhalt-Projekt folgt der Forderung des NEB, „einen Raum für Innovation zu schaffen, um gemeinsam Werkzeuge, Lösungen und politische Maßnahmen, die den Wandel vor Ort erleichtern, zu entwickeln, zu erproben und zu testen“ (NEB).

Ausgangspunkt sind der Burgenlandkreis und die Stadt Zeitz in Sachsen-Anhalt. Warum Zeitz?

Zeitz ist eine Stadt im ländlichen Raum, die nach dem Fall der Mauer große wirtschaftliche und soziale Veränderungen erlebt hat und durch den geplanten Kohleausstieg vor neuen Herausforderungen steht. Zeitz steht damit prototypisch für viele Regionen in Europa.

Wesentliche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wandel finden sich jedoch in Zeitz: eine städtebauliche Studie aus dem Jahr 2020, bereits umgesetzte Beteiligungsstrategien, eine Stadtregierung mit einer Vision, eine engagierte Stadtverwaltung, eine strategisch kommunale Immobilienpolitik, Investoren, die Hand in Hand mit den Einheimischen arbeiten, usw. Das Sachsen-Anhalt Projekt basiert auf kulturellen Verflechtungen, die bereits seit Langem bestehen – denn „bei der Entwicklung der gemeinsamen Vision geht es auch darum, die guten Beispiele, die wir bereits haben, zu erkennen und sich von ihnen inspirieren zu lassen“ (NEB).

Dabei geht es gleichermaßen um lokale Erfahrung und Fachwissen wie um translokalen/transregionalen Austausch.

Teilnehmer:
Die BürgerInnen von Zeitz, ArchitektInnen, KünstlerInnen, DesignerInnen, SoziologInnen, Kulturschaffende, PädagogInnen usw.

Transformationsstrategien werden nicht von außen aufgezwungen, sondern generisch auf Basis der Situation vor Ort entwickelt. Dies unterscheidet sich deutlich von früheren Initiativen zum Strukturwandel. Veränderungen wurden damals oft von außen an jene herangetragen, denen gesagt wurde, dass sich ihre Lebenswelt ändert, wobei die lokalen Erfahrungen und Kenntnisse ignoriert wurden. Dadurch wurden die Angesprochenen eher zu Objekten denn zu Handelnden.

Das Sachsen-Anhalt Projekt ist prozessgesteuert und entsteht als mehrdimensionales und sich veränderndes spiralförmiges Netzwerk zwischen dem Kleinen und dem Großen, zwischen lokal und global. Es entfaltet sich im Plural, zeigt konkrete, kühne, mutige, visionäre, aber auch durchaus pragmatische Ideen, Überlegungen und Aktivitäten, die über den aktuellen gesellschaftlichen Status quo hinausgehen und Perspektiven für politisches, wirtschaftliches, ökologisches, soziales, kulturelles Handeln in der nahen oder fernen Zukunft eröffnen. Die Szenarien und Prototypen sind auf andere Regionen in Deutschland und Europa übertragbar.

JETZT.

Hier finden Sie die neuesten Informationen über die Initiative Neues Europäisches Bauhaus in Sachsen-Anhalt.

© Yanru Chen / Kunsthochschule Burg Giebichenstein

© Florian Merdes & Nea Gumprecht / Kunsthochschule Burg Giebichenstein

Prototypen.

Methodisch basiert das Sachsen-Anhalt Projekt auf der Erarbeitung von Szenarien und Prototypen.

Im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich, aber auch in der Klima- und Energieforschung ermöglicht das Durchspielen von Szenarien eine Orientierung im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen. Bei dieser Technik handelt es sich um eine „hypothetische Konstruktion möglicher Zukunftsbilder auf der Grundlage von vergangenem und gegenwärtigem Wissen“. Ein Szenario „steht für die Idee einer möglichen Zukunft und verweist damit implizit immer auf die Möglichkeit weiterer, alternativer Zukunftsperspektiven“. (Hannah Kosow und Robert Gaßner)

Es wird eine Reihe von Prototypen entwickelt, um Eignung, Akzeptanz und Umsetzbarkeit zu testen. Das Gegenwärtige könnte möglich werden, Unmögliches, ferne oder nicht allzu ferne Entwicklungen würden greifbar gemacht, die eine Gemeinschaft der Zukunft multidimensional gestalten können.

Warum werden Prototypen benötigt?

Mit der Entwicklung von Prototypen und deren testweiser Implementierung vor Ort treffen die Prototypen auf gesellschaftliche Realitäten. Dadurch entstehen systemische Probleme, die oft das Handeln einschränken und Veränderungen stoppen. Dabei geht es um Aspekte wie Produktion, Verteilung und Konsum, digitale Ethik, Eigentumsverhältnisse, Land- und Immobilienspekulationen, Ressourcen- und Verteilungsgerechtigkeit, alternative Ökonomien, Gemeingüter, gesetzliche Regelungen, Transparenz und Überwachung, Vertrauen und Kontrolle, Sozial- und Raumpolitik, Identitäts- und Geschlechterkonstruktionen usw.

Es ist nicht so, dass utopisches Denken und visionäre Ideen zwangsläufig an den Realitäten scheitern, aber sie reiben sich an den Realitäten, und das wiederum ermöglicht, sie zu optimieren.

Alle vorgestellten Prototypen überschreiten territoriale Grenzen und zeigen, wie sehr Wirtschaft, Ökologie und Kultur bereits heute miteinander vernetzt sind. Sie werden in Zusammenarbeit mit Experten aus der Region, aber auch aus der ganzen Welt entwickelt.

© Uwe Gaasch / Fraunhofer IBP 

Gemeinsam
für ein Neues Europäisches Bauhaus

Netzwerk.

Hier finden Sie eine Übersicht der Partner der Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ von Sachsen-Anhalt.

Ideen.

Wir freuen uns über Ihre Ideen und Fragen zum Neuen Europäischen Bauhaus in Sachsen-Anhalt.

Kontakt.

SALEG Sachsen-Anhaltinische Landesentwicklungsgesellschaft mbH
im Auftrag der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt
Stabstelle Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier

Turmschanzenstraße 26
39114 Magdeburg

Phone: +49 (0) 391 85033
E-Mail: NEB_FAMILY(at)saleg.de